Frauen und Kirche
Frauen im Judentum
“Ich werfe unserer Zeit vor, dass sie starke und zu allem Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt”. Theresa von Avila, 16. Jh.
In Israel hatten die Männer das Sagen. Männerdominierte Umgangsformen wohin man sah. Und die Männer hatten das Gesetz auf ihrer Seite, dieses stand in der Tora. Die Hl. Schrift der Juden. Die wichtigste Schrift im Alten Testament. Geschrieben von Männern. Oder doch von Gott? Ist die Bibel nicht das Wort Gottes? – Ja und nein.
Die moderne Bibelwissenschaft sagt es so: Die Bibel ist Gotteswort im Menschenwort. Menschen einer bestimmten Zeit mit ihrem je eigenen Weltbild deuten ihre Erfahrungen in einem größeren Horizont. Sie erahnen einen Schöpfergott, der sie nicht im Stich lässt, der sein JA zu allem nicht zurücknimmt.
Dass die Frau benachteiligt war, hatte eine lange Tradition – auch in den Nachbarländern Israels.
- Bei der Geburt zählten nur Söhne.
- Frauen waren nicht erbberechtigt (auch Witwen nicht).
- Ihr Zeugnis vor Gericht war nichts wert oder nur die Hälfte im Vergleich zum Mann.
Die Schöpfungserzählungen brechen zwar mit diesem antiken Bild von der Frau („Als Mann und Frau erschuf er sie, als sein Abbild“, „Ich will Adam eine Hilfe machen, die ihm entspricht“). Praktische Gleichstellung gab es aber trotzdem nicht in Israel. Die Frau war Dienerin, befreit von der Erfüllung religiöser Gebote, um bei ihren häuslichen Pflichten nicht gehindert zu sein (das Gleiche galt übrigens auch für die Sklaven…). Der Mann konnte die Frau aus der Ehe entlassen – umgekehrt keine Chance.
Traditionen sind sehr mächtig. Selbst göttliches Wirken vermag männlich-patriarchale Deutung nicht zum Schweigen zu bringen. Beide Schöpfungserzählungen weisen eindeutig auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau hin. Und beide Erzählungen werden immer wieder einseitig gedeutet und immer wieder uminterpretiert. Von Männern für Männer.
Frauen zur Zeit Jesu und in der Urkirche
“Wie groß muss doch die Weisheit dieser Frau gewesen sein, dass sie für den Apostel würdig gefunden wurde.” Kirchenvater Johannes Chrysostomos (350) über Junia.
Der Jude Jesus bricht mit dieser Tradition. Er provoziert also die Männer seiner Generation. Alle (!) Bibelstellen, in denen sich Jesus in irgendeiner Weise zu Frauen verhält, erzählen von einem Bruch Jesu mit den alten Rollenklischees:
- Er akzeptiert Frauen als Gesprächspartnerinnen in theologischen Fragen
- Er nimmt den weiblichen Glauben ernst
- Er setzt sich für den Schutz der Frau in der Ehe ein
- Er macht Frauen zu Missionarinnen
- Er respektiert Frauen in seinem Gefolge, usw.
Dass Frauen in der Urkirche selbstverständlich Leiterinnen von Hauskirchen, in der Mission tätig (z.B. Junia, Röm 16,7), als Prophetinnen gefragt waren, versteht sich daraus von selbst.
- Sie waren es, die am Karfreitag unter dem Kreuz ausgehalten haben…
- Sie waren es, die nicht weggelaufen sind wie die meisten Männer…
- Sie waren es, die Jesus einen letzten Dienst erweisen wollten: seinen Leichnam einbalsamieren.
- Diese Frauen waren es, die als erste die Frohbotschaft anvertraut bekamen: „Jesus lebt. Er ist auferstanden!“
- Diesen Frauen wurde der Auftrag erteilt, die Jünger mit dieser Botschaft zu konfrontieren.
Frauen im Christentum
„Es gibt nicht mehr … männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ (Gal 3,28)
Die erste Generation nach Jesus machte mit diesem Bruch ernst. Die Frauen waren gleichberechtigt. Erst in der zweiten Generation nach Jesus passierte es. Das Patriarchat feierte fröhliche Urstände.
- „Die Frau ist nach der Schöpfungs- und Erlösungsordnung dem Mann untergeordnet“ (1 Kor 11, Eph 5; 1 Tim 2)
- „Sie ist schuld an der Sünde“ (1 Tim 2)
- „Sie hat in der Gemeinde kein Rederecht“ (1 Kor 14, 1 Tim 2)
- „Die Frau hat Schmuckverbot“ (1 Tim 2, 1 Petr 3), usw.
Ja man schreckte nicht einmal davor zurück, Frauennamen im NT in Männernamen umzuschreiben (Junia → Junias (Röm 16, 7), Nympha → Nymphas (Kol 4,15) – beide Stellen sind heute in der Einheitsübersetzung korrigiert). Viele Generationen sind inzwischen gekommen und wieder vergangen. Die Benachteiligung der Frau ist geblieben. (Eine unselige Argumentationsreihe reicht hier von Augustinus über Thomas von Aquin bis zu Albertus Magnus und Immanuel Kant)
Und unsere Generation?
- Hören wir auf die Spiritualität der Frauen?
- Oder sind Frauen zu wenig „heilig“, wenn es um angestammte kirchliche Bereiche der Männer geht?
- Empfinden wir es als bedrohlich, wenn sie die traditionelle Rollenverteilung überwinden wollen? In Gesellschaft und Kirche?
Sind wir schon bereit dafür, uns Jesu Umgang mit den Frauen zum Vorbild zu nehmen?
Eine Zukunft für die Kirche wird es ohne Frauen nicht geben, eine Zukunft für die einzelnen Pfarren auch nicht. Ich kenne viele Männer, die sich für die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche einsetzen. Und ich kann es schon nicht mehr hören, wenn gleichsam entschuldigend auf die träge männerdominierte Kirchenleitung hingewiesen wird.
- Mut zur Veränderung!
- Die Jesusbewegung hatte ihn schon einmal!
- Zurück zu den Wurzeln!
- Auf dass endlich die Jesus-Botschaft unzensiert gelebt werden kann!
Text: Robert Brunbauer (brunbauer@gmx.at)
Foto: Eduardo Dutra – Pexels