Passendes für den Advent
Evangelium vom 1. Adventsonntag
(Lk 21,25 – 28.34 – 36)
Vom Kommen des Menschensohnes
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres.
Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen.
Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, (so) wie (man in) eine Falle (gerät); denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.
Zeichen am Weg – Teil 1
Vor knapp 2 Monaten startete Papst Franziskus den SYNODALEN PROZESS der kath. Weltkirche. Ziel dieses synodalen Weges: ein neuer Stil kirchlichen Lebens.
Einwände wie „das bringt nichts“ lässt der Papst nicht gelten. Der Satz „Das haben wir immer so gemacht“ sei „Gift im Leben der Kirche“.
2 Jahre lang soll der synodale Weg dauern. Mitmachen können alle. Gefordert wird auch, auf jene zu hören, die in der Kirche bislang weniger zu Wort kommen: junge Menschen, Frauen, Arme, Ausländer, aus der Kirche Ausgetretene.
Leitgedanken sind u.a.: Aufeinander hören – ohne Vorurteile, Träume aufkeimen lassen, Visionen und Hoffnungen wecken, Wunden verbinden, Dialog mit Kirche, Gesellschaft und anderen christl. Konfessionen,… (aus: Vorbereitungsdokument des synodalen Prozesses).
Der Advent, insbesondere die Evangelien der Adventsonntage haben einen starken Bezug zu diesem synodalen Weg: nämlich über das Wegmotiv:
syn-odos = „zusammen-Weg“ = Weggemeinschaft, zusammen unterwegs sein
ad-ventus = das Nahen, der Anmarsch, die Ankunft -> es ist etwas auf dem Weg, unterwegs
Der Text des 1. Adventsonntags (siehe Rückseite) scheint unser 21. Jahrhundert mit atemberaubender Präzision vorhergesehen zu haben: Die Zeichen am Weg stehen auf Sturm! Angst, Ratlosigkeit und Bestürzung herrschen unter den Menschen. Die Zeichen in Gesellschaft und Kirche schreien zum Himmel!
Im Vorbereitungsdokument für den synodalen Prozess werden Themen genannt wie COVID–Pandemie, soziale Ungleichheit, Missbrauchsskandale in der Kirche, Klimawandel, Migration…
Blickt also dieser apokalyptische Text des Lukas-Evangeliums in die Zukunft? Konkret ins 21. Jahrhundert? Früher hätte man diese Frage schnell mit Ja beantwortet. Heute deutet man apokalyptische Texte anders: sie beziehen sich ganz konkret auf damalige radikale innerweltliche Veränderungen (Jerusalem (inkl. Tempel) wird um 70 n. Chr. von den Römern zerstört, die Diaspora (Zerstreuung) der Juden beginnt. Und damit auch indirekt die der Judenchristen). Und schildern diese in Bildern des Weltuntergangs. Sie sind Mahn- und Trostschrift in einem: Ermahnung, wachsam zu sein, die Zeichen am Weg richtig zu deuten. Trost, denn der Menschensohn ist gekommen! Er ist mitten unter uns!
So wird aus einer vermeintlichen Tatsachenbeschreibung in einer nahen oder fernen Zukunft ein zeitloser Text. Ein Text, der den Menschen damals wie heute einen Weg zeigt aus der Verzweiflung, der Resignation, der Hoffnungslosigkeit, der Angst. „Apokalypse“ heißt so viel wie „Enthüllung“, „Aufdeckung“ und dient somit als „Augenöffner“ („da gingen ihnen die Augen auf“…)
„Wachet und betet“ wird zum Inbegriff von: auf die Zeichen am Weg achten, mit dem Herzen sehen lernen (in die „Sehschule Gottes“ gehen), sein Herz an Ihn binden.
„Wachet und betet“ heißt dann auch: „Richtet euch auf“, „erhebt eure Häupter“ = habt Mut. Dann könnt ihr vor Ihn hintreten.
Machen wir uns gemeinsam auf den Weg, achten wir auf die Zeichen am Weg, es gibt viel zu tun!
Evangelium vom 2. Adventsonntag
(Lk 3,1-6(14))
Johannes der Täufer
Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa, sein Bruder Philippus Tetrarch von Ituräa und Trachonitis, Lysanias Tetrarch von Abilene; Hohepriester waren Hannas und Kajaphas. Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias.
Und er zog in die Gegend am Jordan und verkündigte dort überall Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden.
(So erfüllte sich,) was im Buch der Reden des Propheten Jesaja steht: Eine Stimme ruft in der Wüste: / Bereitet dem Herrn den Weg! / Ebnet ihm die Straßen!
Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, / jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, / was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden.
Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt.
Das Volk zog in Scharen zu ihm hinaus, um sich von ihm taufen zu lassen. Er sagte zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?
Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen, und fangt nicht an zu sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen.
Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.
Da fragten ihn die Leute: Was sollen wir also tun?
Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso.
Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: Meister, was sollen wir tun?
Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist.
Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!
Zeichen am Weg – Teil 2
Nun ist er also auf dem Weg, der synodale Weg der Weltkirche. Zwei vatikanische Dokumente sind den Weggefährten (= syn-odos), also uns, als Wegzehrung in den Rucksack gepackt worden: Das „Vademecum“ (= „Geh-mit-mir“) und das Vorbereitungsdokument „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“. Auf rund 70 (!) Seiten finden sich faszinierende Ansätze über den neuen Stil im kirchlichen Leben.
Hier eine kleine Zitate-Auswahl:
- Die Demut zuzuhören muss mit dem Mut zu sprechen einhergehen. Jeder hat das Recht, angehört zu werden, wie jeder das Recht hat, zu sprechen.
- Offenheit für Umkehr und Veränderungen: … Wir sind gefordert, unsere Selbstgefälligkeit und Bequemlichkeit abzulegen, die uns dazu verleiten, Entscheidungen allein auf der Grundlage des Althergebrachten zu treffen.
- Innovatives Denken: Mit Kreativität und einer gewissen Kühnheit neue Denkansätze entwickeln.
- Inklusives Denken: Für eine Kirche der Teilhabe und Mitverantwortung, die ihre eigene Vielfalt zu schätzen weiß und all jene einbezieht, die oftmals vergessen oder übergangen werden.
- Bereitschaft zum ökumenischen und interreligiösen Dialog: Mit der gesamten Menschheitsfamilie gemeinsam Träume entwickeln und sich auf den Weg begeben.
Das alles ist Ermutigung pur! Allein: Es gibt auch zweifelnde Stimmen. Da ist die Rede davon, dass dieser synodale Weg von „oben“ (Papst/Kurie) verordnet ist und der Kirchenbasis nur vorgegaukelt wird, mitentscheiden zu können. „Die Synode wird wie ihre Vorgänger nur als Feigenblatt für den kurialen Zentralismus dienen“ (Heribert F. Koch, em. Univ.Prov. für Völkerrecht). Norbert Küdecke, Theologe und Kirchenrechtler spricht davon, dass die Gesprächsangebote auf dem synodalen Weg als Beruhigungspille zu verstehen sind und als Ventil, um den Druck des Laienunmuts zu verringern. Er sagt: „Alle hier (auf der Synode) in Frage kommenden Wünsche und sämtliche theologischen Argumente für diese liegen seit Jahren und Jahrzehnten auf dem Tisch. Warum für ihren erneuten Vortrag der synodale Weg erforderlich und vor allem erfolgsversprechender als bisherige Debatten sein soll, bleibt unerfindlich.“
Oder Stephanie Klein, Professorin für Pastoraltheologie: „Solange letztlich der Klerus über die Prozesse und Inhalte der Synode entscheidet, ist nicht damit zu rechnen, dass das Anliegen der Frauen einer strukturell verankerten egalitären Teilhabe auf allen Ebenen der Kirche auch aufgegriffen wird.“
Ob diese Einwände berechtigt sind, wird sich weisen. 2023 sollen ja die Früchte schon geerntet werden. Die Nagelprobe wird wohl sein, ob die Kirche in den kommenden Jahren nötige Reformschritte auf den Weg bringt. Eine gewisse Parallele zur Menschheitsbedrohung durch den Klimawandel lässt sich nicht von der Hand weisen: Die nächsten 10 Jahre sind entscheidend! Ändert sich nichts, so ändert sich alles!
Johannes den Täufer könnte man getrost als Vorläufer des synodalen Wegs bezeichnen. Er steht in der Tradition der ATlichen Propheten. So erinnert sein Aufenthalt in der Wüste an die Wüstenzeit des Volkes Israel nach dem Auszug aus Ägypten. Sein Taufen am Jordan verbindet ein gläubiger Jude mit dem an dieser Stelle erfolgten Einzug in das verheißene Land. Sein einfaches Leben macht seine Predigt glaubwürdig, authentisch. Im Evangelium des 2. Adventsonntags (s. Rückseite) sagt er nicht: „Alle Wege führen nach Rom“, sondern: „Bereitet dem Herrn den Weg…!“ Er verknüpft mit dieser Aufforderung zahlreiche ethische Haltungen (s. Leute, Zöllner, Soldaten). Viele Baustellen werden von ihm angesprochen: Straße ebnen, Schluchten auffüllen, Berge und Hügel senken, Krummes soll gerade werden,… Die Liste der Baustellen in Kirche und Gesellschaft im Hier und Jetzt ist ebenso lang…
Würden wir heute einem Propheten wie Johannes bereitwillig folgen („Ihr Schlangenbrut!“)? Skepsis ist angebracht. Allein die Frage, warum die Umweltschutzbewegungen, die für die Bewahrung der Schöpfung kämpfen, außerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft entstanden sind, sollte uns zu denken geben. Oder: Wer glaubt im Ernst, dass die Anliegen der Frauen im synodalen Prozess wirklich gehört werden?
Zur Frohbotschaft des Johannes („Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“) gibt es keine Abkürzung. Sie ist nur durch Aufbruch, Umkehr und Handanlegen an den Baustellen der holprigen und tw. schwer passierbaren Straße erreichbar. Also: Für eine freie Sicht und eine „freie Fahrt“ zum Ziel muss ich schon die Ärmel aufkrempeln, anpacken, nachfolgen.
Advent leben heißt, Hindernisse in mir und rund um mich herum aus dem Weg räumen. „Bereitet dem Herrn den Weg“: Um ins verheißene Land kommen zu können, muss ich schon „eintauchen“ in diese Welt und die Fragen, die sie stellt.
Lesung vom 3. Adventsonntag
(Lk 3,(7)10 – 18)
Johannes der Täufer
Lk 3,7 Das Volk zog in Scharen zu ihm hinaus, um sich von ihm taufen zu lassen. Er sagte zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?
Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen, und fangt nicht an zu sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen.
Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.
Da fragten ihn die Leute: Was sollen wir also tun?
Lk 3,11 Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso.
Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: Meister, was sollen wir tun?
Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist.
Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!
Das Volk war voll Erwartung und alle überlegten im Stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei.
Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.
Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner Predigt.
Zeichen am Weg – Teil 3
„Er wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen!“ So kündet Johannes im heutigen Evangelium Jesus an.
In den beiden Dokumenten des synodalen Wegs (s. 2. Adventsonntag – Zeichen am Weg 2) wird in jedem 2. Absatz der „Heilige Geist“ erwähnt.
- „… auf die Weise kann unser Weg des gegenseitigen Zuhörens zu einer authentischen Erfahrung werden, die es uns ermöglicht, die Stimme des Heiligen Geistes“
- „Die Gläubigen haben in der Taufe und in der Firmung den Heiligen Geist empfangen… Daher steht das Lehramt des Papstes und der Bischöfe im Dialog mit dem sensus fidelium, der lebenden Stimme des Volkes Gottes (= Glaubenssinn des Volkes).“
- Wir hören auf das, was der Heilige Geist der Kirche zu sagen hat, indem wir in der Heiligen Schrift und in der lebendigen Tradition der Kirche gemeinsam das Wort Gottes vernehmen und dann einander, vor allem auch den Ausgegrenzten, zuhören und die Zeichen der Zeit erkennen.“
- „Gemeinsam diese Fragestellung (Wie soll das „gemeinsame Gehen“ gestaltet werden) anzugehen erfordert, eine Haltung des Hörens auf den Heiligen Geist einzunehmen, der wie der Wind „weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht“ (Joh 3,8).
- „Ungeachtet unserer Untreue wirkt der Geist weiterhin in der Geschichte und zeigt seine belebende Kraft.“
- Das Konzil hat unterstrichen, dass die Gesamtheit der Gläubigen, kraft der Salbung des Heiligen Geistes, die alle in der Taufe empfangen haben, im Glauben nicht irren kann. „Es ist der Geist, der die Gläubigen zur ganzen Wahrheit führt (Joh 16,11).““
- „Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute“ (1 Thess 5,19-21).
- „Jeder hat etwas zu lernen: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom – jeder im Zuhören auf die anderen und alle im Hören auf den Heiligen Geist, den „Geist der Wahrheit“ (Joh 14,17).“
usw.
Würden sich die Kirche und ihre Repräsentanten (und auch ihre Kritiker!) anmaßen, den Heiligen Geist zu besitzen, würden sie sich anmaßen, wie Gott zu sein.
Würde irgendjemand innerhalb oder außerhalb der Kirche den Anspruch erheben, Eigentümer göttlicher Wahrheit zu sein, würde er den Geist Gottes überflüssig machen.
Würde irgendeine Institution beanspruchen, ein Monopol auf den Heilsweg zu besitzen, würde die Gnade Gottes berechenbar werden.
Miteinander unterwegs zu sein auf dem synodalen Weg kann also nur bedeuten, miteinander nach der Wahrheit zu suchen. Miteinander den Glaubensgeheimnissen der Heiligen Schrift auf der Spur zu sein, ohne je beanspruchen zu können, alles verstanden zu haben. Miteinander der Sehnsucht nach dem Ur-Grund zu vertrauen. Miteinander die Zeichen am Weg, die Sprache Gottes in der Schöpfung und im Geschöpf richtig zu deuten versuchen. Aufeinander zu hören, um im Geschöpf die Stimme des Schöpfers zu erahnen.
Der synodale Weg hat sich die Latte sehr hochgelegt. Zu hoch, sagen die einen. Das Scheitern sei vorprogrammiert. Nicht zu hoch, sagen die andern. Der Geist Gottes weht, wo er will.
Hoffen wir, dass wir über die Zeichen am Weg stolpern und nicht über sie drübersteigen. Suchen wir Wege zum (ganz) Anderen, auf denen wir es uns nicht zu leicht machen („Geht durch die enge/schmale Pforte!“ (Mt 7,13)). Lernen wir von Johannes, dem Wegbereiter, dem „Straßenmeister“ der Wahrheit, die immer im Kommen ist. Auch heute und hier.
Der Weg des Johannes (im Evangelium des 3. Adventsonntags (s. Rückseite):
- er warnt vor jeder Art von religiöser Selbstsicherheit und vor dem Denken: „Ich besitze die Wahrheit, ich habe den richtigen Glauben“
- er dient, kriecht aber nicht zu Staube
- er übt Kritik, betont dabei aber das Gute (auch im anderen)
- er will den Weizen in uns sammeln, verschweigt dabei aber die Spreu in uns nicht
- er spricht allen Mut zu, spaltet die Gesellschaft nicht, ist Wegbereiter der Wahrheit
- er zeigt auf die Wahrheit, besitzt sie nicht
Lesung vom 4. Adventsonntag
(Lk 1,39 – 45)
Der Besuch Marias bei Elisabet
Lk 1,39 Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Die Seligpreisungen (Mt 5,3-12)
Mt 5,3 Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; / denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; / denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; / denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; / denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; / denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; / denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; / denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; / denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.
Zeichen am Weg – Teil 4
Vielleicht ist es Zufall.
Die Kirche legt ja bekanntlich sehr viel Wert auf Jahrestage und Erinnerungen. So zu sehen z.B. bei den Sozialenzykliken oder bei den Heiligengedenktagen.
Der synodale Weg wurde fast auf den Tag genau 59 Jahre nach der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils gestartet. So als ob Papst Franziskus die Dringlichkeit dieser Veranstaltung betonen und das 60 Jahre-Jubiläum nicht mehr abwarten wollte.
Immer wieder war in den letzten Jahren der Ruf nach einem neuen Konzil laut geworden. Andere betonten, dass vom 2. Vatikanum noch längst nicht alles umgesetzt worden sei. Der Papst scheint als Kompromiss zwischen diesen Positionen den synodalen Weg einberufen zu haben.
In den einleitenden Worten des Vorbereitungsdokuments heißt es:
„Die Kirche Gottes ist zu einer Synode zusammengerufen… Dieser Weg, der der Spur des vom II. Vatikanischen Konzil der Kirche vorgeschlagenen „aggiornamento“ folgt, ist Gabe und Aufgabe.“
Man stelle sich die Freude zu Beginn des Konzils vor! Offene Fenster und Türen, der neue Geist des Miteinanders, Aufbruchsstimmung, Wandel, die Kirche kommt im Heute an, spricht die Sprache der Gegenwart, nimmt Stellung zu aktuellen Themen. Scheut nicht zurück vor „heißen Eisen“, ist selbstkritisch und reformbereit. Das alles ist mit „aggiornamento“ gemeint. „Verheutigung“, also die Anpassung an heutige Verhältnisse.
Eine zentrale Botschaft des Konzils lautete, dass die Gesamtheit der Gläubigen, Kraft der Salbung des Hl. Geistes, die alle in der Taufe empfangen haben, im Glauben nicht irren kann.
30 Jahre später: Nach zahlreichen sehr positiven Entwicklungen macht sich Ernüchterung breit. Gerade von Rom kommen Zeichen des Zurückruderns, des ängstlichen Festhaltens an alten Strukturen.
Nochmals 30 Jahre später, also heute: Papst Franziskus erinnert an die freudige Aufbruchsstimmung des 2. Vatikanums. An die aktive Teilnahme aller Gläubigen an der Eucharistie und am gesellschaftlichen Wirken der Kirche. Da heißt es im Vorbereitungsdokument:
- „Eine synodale Kirche ist eine Kirche „im Aufbruch“, eine missionarische Kirche, mit offenen Türen.“
- „Alle Getauften haben „in der Ausübung des vielfältigen und geordneten Reichtums ihrer Charismen, ihrer Berufungen, ihrer Ämter“ Anteil am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi und sind aktive Subjekte der Evangelisierung, sei es als Einzelne, sei es als Gesamtheit des Volkes Gottes.“
Wenn kleine Kinder zu Weihnachten vor Freude hüpfen, hat das heute weniger zu tun mit der (Vor)Freude über die Ankunft des Messias. Sondern wohl mehr mit den erhofften Goodies unterm Christbaum.
Und doch steckt in dieser Bewegung eine unglaubliche Dynamik und Symbolik: Johannes „hüpft“ uns schon im Mutterleib vor, was Sache ist (nachzulesen im Evangelium des 4. Adventsonntags, s. Rückseite). „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder“, wird Jesus 30 Jahre später sagen, „könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
Sich noch von Herzen freuen können…
Elisabeth deutet die Bewegung ihres Kindes im Mutterleib als Hinweis auf das Kommen einer neuen Zeit. Sie wird damit als Prophetin geschildert, die visionär eine Seligpreisung aussprechen kann über Maria. Eine Seligpreisung, die 30 Jahre später wieder von Jesus aufgegriffen wird, und zwar in der Bergpredigt: „Freut euch und hüpft an jenem Tag“ steht da im Original. Und zwar am Ende der Seligpreisungen (s. Rückseite). Auch oft übersetzt mit Glücklich-Preisungen.
Weihnachten ist eine Art Sehschule Gottes: Den Blick auf das Kleine zu richten, das Schutzbedürftige, nicht von oben herab. Wer diesen Blick riskiert, wird viel Leid und Ohnmacht zu Gesicht bekommen. Der wird die Welt mit anderen Augen sehen. Der wird Weihnachten zu Gesicht bekommen. Und wird erahnen, dass eine Zeitenwende, ein Auf-bruch, ein Neuanfang durchaus ein schmerzlicher Prozess sein kann. Wie eine Geburt. Das gilt auch für synodale Prozesse.
Glücklich, die diesen Blick riskieren: „Freut euch und hüpft an jenem Tag.“ Dieser Tag ist immer nur einen Augen-Blick entfernt.
© Robert Brunbauer